Wege zu mehr Gelassenheit
Stress – oder: Oasen der inneren Ruhe schaffen

Fühlst Du Dich gerade gestresst, während Du diese Zeilen liest? Dann willkommen im Club! Immer mehr Menschen in den Industrienationen leiden heute unter einer dauerhaft hohen Belastung durch Beruf und Familie oder unter der schwierigen Vereinbarkeit beider Lebensbereiche. Aber nicht jede hohe Arbeitsbelastung muss gleich Stress sein. Wer etwas mit viel Freude macht, kann auch über längere Zeit eine große Beanspruchung aushalten, weil die Tä̈tigkeit selbst nicht als kräftezehrend empfunden wird. In diesem Kontext spricht man von Eustress – positivem Stress. Daraus wird jedoch schädlicher Stress, wenn Motivation und Freude für die Tätigkeit verloren gegangen sind und es nicht mehr gelingt, abzuschalten.

Dass wir auf Stress körperlich reagieren, ist zunächst eine äußerst wichtige Schutzfunktion für unser System. Evolutions-biologisch war diese Reaktion überlebenswichtig. Wenn unsere Vorfahren in Gefahrensituationen gerieten, versetzte das Stressverarbeitungsprogramm den Körper in eine Art Alarmbereitschaft. Stresshormone wurden vermehrt erzeugt, die das System in hoher Anspannung hielten, um mit der Gefahr besser fertig zu werden. Das Problem liegt nur darin, dass das System ermüdet, wenn der Zustand der hohen Anspannung zu lange andauert. War unseren Vorfahren die Flucht geglückt, konnten die Hormone wieder heruntergefahren werden und der Körper in den Normalzustand zurückkehren. Das ist in der heutigen Zeit wesentlich schwieriger und so stellt sich nach einer Weile Erschöpfung ein. Heute wissen wir, dass ein dauerhaft hoher Anteil von sogenannten Stresshormonen zu seelischen und körperlichen Schäden führen kann.

Wichtig ist es, sich über die Herkunft des Stresses bewusst zu werden. Es gibt Stress, der durch äußere Verhältnisse bedingt ist, und Stress, der mit unseren Konzepten und Überzeugungen zu tun hat. Bei der ersten Form haben wir in der Regel relativ wenige Möglichkeiten, ihn zu reduzieren. Wenn kranke Familienmitglieder unsere Hilfe brauchen, können wir an der Situation an sich kaum etwas verändern. Hier kann man nur nach Strategien suchen, mit der Belastung so umzugehen, dass sie einen nicht selbst überfordert und krank macht. Schaffe Dir  in diesem Fall Stressoasen, in die Du Dich immer wieder für einige Zeit zurückziehen kannst – und wenn es nur für ein paar Minuten ist. Die Wahl der Mittel zur Stressreduzierung ist sehr individuell. Erspüre das, was Dir guttut. Manchen Menschen hilft es, sich zu bewegen, andere brauchen ein paar Minuten völlige Ruhe, wiederum andere arbeiten mit Entspannungstechniken.

Anders sieht es mit der zweiten Form von Stress aus, die durch eigene oder übernommene Konzepte ausgelöst wird. Darauf können wir direkt zugreifen, da sie mit unseren Überzeugungen und Werten aufs engste verbunden sind. Deshalb hilft es, die eigenen Gedankenmuster genau zu betrachten. Gedanken bestimmen unsere Sicht der Wirklichkeit und unseren Zugang zu ihr, und sie hinterlassen ganz konkrete Spuren in unserem Dasein.

Was bedeutet dies nun im Kontext von Stress?

Wenn Stress uns belastet, sollten wir uns anschauen, was genau uns stresst und weshalb wir in dieser Situation verharren. Können wir keine Grenzen ziehen, weil wir Angst vor Zurückweisung haben? Oder sind wir davon überzeugt, dass nur derjenige eine Existenzberechtigung hat, der Überdurchschnittliches leistet? Wo liegen unsere eigenen Prioritäten?

Solange wir Anerkennung ausschließlich in der Außenwelt suchen, müssen wir deren Spielregeln erfüllen. In einer Gesellschaft, die sich selbst als Leistungsgesellschaft definiert, ist es naheliegend, dass eine ihrer grundlegenden Spielregeln lautet: hohe Leistungsbereitschaft. Doch nirgendwo ist festgeschrieben, dass wir nach diesen Regeln weiterspielen müssen. Nicht selten glauben wir, dass beispielsweise unsere familiäre Situation keine Alternativen zum bestehenden Status quo zulassen würde. Wir meinen, wenn wir etwas nicht mehr täten oder etwas veränderten, bräche die Welt zusammen.

Diesen Glaubenssatz sollten wir jedoch dringend überprüfen! Der erste Schritt ist, uns bewusst zu machen, weshalb wir etwas tun und für wen wir es in Wirklichkeit tun. Dann geht es zum zweiten Schritt: Nun gilt es zu klären, was passieren würde, wenn wir es nicht mehr so machen würden wie bisher, und was wir dadurch tatsächlich verlieren würden. Mache Dir bewusst, dass es nichts Wertvolleres gibt als diesen jetzigen Moment, in dem Du lebst. Dafür brauchst Du keine Bestätigung durch den Chef oder Partner. Nichts kann Dich zwingen, etwas zu tun, dass Du nicht mit innerer Zustimmung tun möchtest. Es sind Deine Gedanken, die bestimmen, wohin die Reise Deines Lebens geht.

Eine Übung für weniger Stress

Atemübung: Hummel-Atmung

Die Hummel-Atmung (brahmari) ist eine einfache und zugleich hochwirksame Atemtechnik aus dem Hatha-Yoga. Sie dient der Entspannung und Beruhigung.

Begib Dich für die Meditation an einen ungestörten Ort, nimm eine aufrechte Meditationshaltung Deiner Wahl ein und schließe die Augen.

Atme ein und erzeuge beim Ausatmen einen Summton wie das Summen einer Hummel.

Du kannst diese Übung unterstützen, indem Du die Ohren mit den Zeigefingern verschließt. Dadurch kannst Du die Schwingungen im Schädel besonders stark spüren.

Werde ganz eins mit der Klangvibration und lasse diese Deinen Kopf und den ganzen Körper erfüllen.

Wiederhole dies 9-mal.

Du wirst bereits nach den ersten Atemzügen wahrnehmen, wie beruhigend und entspannend diese Übung für Deinen Geist ist. Tä̈glich für einige Minuten ausgeführt hilft sie, mentale Spannungen zu beseitigen und erhöhten Blutdruck zu senken. Im Hathapradipika, dem Grundlagenwerk des Hatha-Yoga, steht geschrieben: “Durch fortgesetztes Üben entsteht Glückseligkeit im Herzen.”

Auszüge aus dem Buch „Der spirituelle Notfall-Koffer“ von Christa Spannbauer und Katharina Ceming