Wie wir unseren Atem wieder entspannen

Wenn wir im Stress sind, schenken wir unserem Atem kaum mehr Bedeutung. Wir vergessen ihn einfach, atmen zu flach und fühlen uns relativ schnell müde und erschöpft, weil wir den Körper nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgen. Denn Druck und geistige Anspannung wirken sich direkt auf den Spannungszustand der Muskeln und Organe aus. Entsprechend berichten Lungenfachärzte seit einigen Jahren von einer dramatischen Zunahme chronischer Verspannungen der Atemwegsmuskulatur. Tiefes Atmen regt auch den Vagusnerv an, den Bereich unseres vegetativen Nervensystems, der für Ruhe und Erholung sorgt. Der Blutdruck wird gesenkt und die Herzfrequenz beruhigt den Geist.

Doch wie nutzen wir den Atem als Kraftquelle?

Wenn wir wieder lernen, bewusst zu atmen, können wir vieles in Körper, Geist und Seele beeinflussen und bei jedem Einatmen schenken wir unserem Körper neue Energie. Um besser atmen zu lernen, müssen wir keinen Kurs belegen. Täglich können wir uns ganz einfach mit unserer Atmung beschäftigen. In einer kurzen Arbeitspause, im Stau, im Zug, bei der Hausarbeit oder einfach direkt nach dem Aufwachen.

Tägliche Übungen: Die Atem-Muskulatur und Lungen entspannen

Mit folgenden Übungen kannst Du ganz bewusst und einfach die Atem-Muskulatur und die Lungen wieder entspannen.

1. Brustraum weiten

Eine stabile Standhaltung einnehmen. Die Füße beckenbreit stellen und ganz leicht nach außen drehen. Die Arme seitlich in Körperhöhe ausbreiten und die Handflächen nach oben drehen. Atme ein, wenn Du über die Mitte kommst, und atme aus, wenn Du Dich nach links oder nach rechts drehst. Nimm den Kopf mit in die Drehung und schenke Dir selber ein Lächeln. Lächeln entspannt unseren Hauptmuskel und das Zwerchfell – alles geht leichter.

2. Der Atem der Reinigung – Teil 1

Stelle Deine Füße noch breiter auf. Hebe die Arme nach rechts oben und konzentriere Dich wieder auf Deinen Atem: einatmen. Lasse die Arme jetzt schwungvoll an der Vorderseite des Körpers vorbei nach links oben schwingen und atme mit dem Laut „ha“ aus. Lasse alles, was Dich belastet, los und stelle Dir vor, Du schickst alles weit weg, was Dir nicht guttut. Wiederhole diese Bewegung kraftvoll etwa zwei Minuten in der Geschwindigkeit, die Dir guttut. Lass alles davonfliegen und halte danach kurz inne – spüre, was hat sich verändert?

3. Der Atem der Reinigung – Teil 2

Stelle die Beine weit gegrätscht. Hebe die Arme und atme dabei voller Energie durch die Nase ein und öffne Dich weiter mit den Armen über Deinem Kopf. Lasse die Arme zwischen den Beinen durchschwingen und atme jetzt auf „ha“ aus. Achtung: Schütze den Rücken, indem Du die Beine ein bisschen beugst. Richte Dich einatmend wieder auf und wiederhole ca. 20-mal in Deinem Atem-Rhythmus diese Übung. Werfe mit jedem „ha“ Deinen mentalen Ballast weit von Dir. Spüre nach der letzten Übung in Dich hinein – was hat sich verändert? Wie fühlt sich Dein Atem an? Was machen Deine Rückenmuskeln? Fühlst Du Dich leichter?

Der Atem im Yoga

Schon vor mehr als 3.000 Jahren hatte die Lehre des Yogas einen engen Zusammenhang zwischen unserer geistigen/psychischen Verfassung und unserem Atem entdeckt. Die Yogis zeigten uns, wie entscheidend richtiges Atmen für einen gesunden Körper ist. In vielen Übungen geht es darum, wieder friedvoller und ruhiger zu werden, die Gedanken zum Schweigen zu bringen und unseren Atem wieder als kraftvolle Energiequelle zu nutzen. Atem ist Lebensenergie, sagt die Yoga-Philosophie. Pure Energie, die durch uns hindurchfließt und uns reinigt. Atmen schenkt uns Pran: Lebensenergie. Mit jedem Einatmen versorgen wir unseren Körper mit neuem Leben – mit jedem Ausatmen reinigen wir ihn. Eine bessere und nachhaltigere Reinigung gibt es laut der Yoga-Lehre nicht. Idealerweise entspricht das Einatmen der Luft unserer Lungenkapazität. Aber die meisten Menschen nutzen ihr Lungenvolumen nicht richtig. Hier möchten wir Dir drei Übungen zeigen, die Deine Lungen wieder richtig atmen lassen.

Übungen für eine kraftvolle Atmung

1. Ujjayi-Atem

Die Ujjayi-Atmung (ausgesprochen: udschayi) unterstützt uns in Situationen, in denen wir enorm emotional und physisch gefordert sind. Die Atmung vermindert Anspannung und Stress, verbessert die Konzentration und erhöht die Lungenkapazität. Mit der Atmung kann man optimal die Länge der Einatmung kontrollieren. Um sich die Ujjayi-Atmung vorzustellen, kann man an Aufsaugen der Luft durch einen Strohhalm denken. Verenge den Luftkorridor in Deiner Kehle. Atme mit geschlossenem Mund durch die Nase ein und mache dabei ein leises rauschendes Geräusch im hinteren Teil Deiner Kehle. Schau, dass die Länge der Atemzüge ungefähr gleich lang ist, und probiere die Kehle entspannt zu lassen. Tief ein- und ausatmen. Wenn Du Dich unwohl fühlst oder Dir schwindelig wird, dann strengst Du Dich zu viel an. Probiere Dich zu entspannen und probiere es dann langsam nochmal. Probiere in dieser Atmung 10-mal ein- und auszuatmen. Danach kurz mit geschlossenen Augen in Dich hineinspüren.

2. Meditationsübung

Suche Dir einen ruhigen Platz und nimm eine entspannte Sitzhaltung ein. Die Wirbelsäule ist gerade aufgerichtet – die Schultern entspannt. Schließe die Augen und atme ein paar Minuten lang ruhig ein und aus. Dein Atem ist ganz natürlich und fast nicht zu hören. Wenn sich Gedanken melden, dann beobachte sie und lasse sie bewusst los, indem Du Dich erneut auf die Atmung konzentrierst. Probiere den Atem auch auf Deiner Haut zu spüren. Vielleicht spürst Du beim Atmen ein leichtes Kribbeln in den Nasenlöchern oder einen kalten Luftstrom. Das Wichtigste ist, dass Du mit Deiner Aufmerksamkeit bei Dir bist – im Hier und Jetzt!

3. Nadi Shodhana

Diese Atemtechnik ist bekannt durch die abwechselnde Nasenflügelatmung. Atme zuerst 10-mal ruhig ein und aus und finde Deinen Rhythmus. Dann lege die linke Hand auf das linke Knie und lege die Fingerspitzen des rechten Zeige- und Mittelfingers auf die Handfläche der rechten Hand. Nun hebe die Hand und drücke mit dem rechten Daumen gegen das rechte Nasenloch. Jetzt atme bewusst durch das linke Nasenloch. Ganz in Deinem Tempo. Dann halte das linke Nasenloch mit dem rechten Ringfinger zu und atme durch das rechte Nasenloch aus. Atme danach durch das rechte Nasenloch ein. Halte dann das rechte Nasenloch mit dem rechten Daumen zu und atme über das linke Nasenloch aus. Dies 10-mal wiederholen. Das hört sich alles recht kompliziert an, ist nach einigen Atem-Übungen jedoch ganz einfach und vor allem sehr wirkungsvoll. Es schenkt viel Energie und lässt uns zur Ruhe kommen.